Toskana im Mergelland
Aachen
Westen - Weiten - Grenzen
Eine Radtour gen Westen heißt weite Landschaften genießen und an allerlei Grenzen stoßen. Unterwegs erwartet uns altes Bauernland mit Dörfern und ehrwürdigen Höfen und auch moderne städtische Architekturakzente. Anspruchsvolle Bergetappen werden mit Weitblick und schwebender Fahrt ins Tal belohnt.
Nach dem eindrucksvollem Hochschulgebäude Super-C, dessen Form man gedanklich unterirdisch zu einem C-Buchstaben fortsetzen muss, empfängt uns der Westpark mit wilder Geschichte: Der 1885 angelegte Landschaftspark besaß neben Zoo und Glaspalais für 3.000 Zuschauer auch eine Radrennbahn. An der Stelle des heutigen Teichs befand sich das Elefantenhaus. Weiter gen Westen will der höchste Punkt der Niederlande erklommen werden. Die Güterbahnlinie Aachen-Tongeren nimmt einfach die Direttissima und bohrt sich seit 1872 mit dem „Botzelaer Tunnel“ über 870 Meter durch den Höhenrücken. Am Aufstieg in aussichtsreicher Position wacht das Türmchen Beeck in Nähe des Landgrabens, der grünen Stadtmauer Aachens. Über 70 Kilometer führte ein Erdwall mit dichter Buchenhecke seit dem Mittelalter rings um die Stadt und sicherte die ländlichen Bereiche. Wall und ausgewachsene Heckenbuchen sind im Wald entlang der Strecke über den Dreiländerpunkt zu erahnen.
Oben im Gewirr der Grenzen und Beschilderungen locken touristische Attraktionen. Allen voran der Dreiländergrenzstein, an dem mit Neutral-Moresnet von 1816-1920 noch ein vierter Staat aneckte. Etwas weiter thront der höchste Punkt der Niederlande (322,3 m) ebenfalls mit Grenzsteinen geschmückt und die beiden Aussichtstürme, Baudouin (B) und Wilhelmina (NL) benannt nach ihren jeweiligen Monarchen, wetteifern um die besten Dreiländerperspektiven.
Nach entspannter Abfahrt durch limburgische Mergellandidylle mit Fachwerkhöfen, vorbei an Kasteel Vaalsbroek übernimmt der Senserbach die Grenzfunktion des Landgrabens. Unbeirrt setzen sich die Mergellhöhen auf deutscher Seite fort. Oben auf dem sanft gewellten Plateau mit Traumaussicht wird schnell klar, dass der Kreidemergel fruchtbare Böden hervorgebracht hat. Bis heute zeugen imposante Höfe in Orsbach, Horbach, Vetschau, Uersfeld und Laurensberg von der Bedeutung für die zuständigen Herrschaft in Aachen und Jülich. Viele Gebäude stammen aus dem 16./17. Jh., einige haben noch ältere Wurzeln. So haben die Niersteiner Höfe oder Burg Seffent schon für Kaiser Karls Lebensmittelvorräte gesorgt.
In Orsbach am äußersten Westzipfel wacht die Burg Orsbach an der grünen Stadtgrenze. Nach erneuter Grenzpassage bleiben uns die Kreidehügel weiterhin treu. Jenseits der Autobahn zeigt sich mit dem deutsch-niederländischen Gewerbegebiet Avantis eine vieldiskutiertes Grenzprojekt. War die Grenzverbindung mit dem Kreidemergel bisher Weiß, wie sich an vielen Bausteinen und auch Namen wie Schneeberg zeigt, so bilden die hiesigen Kohlevorkommen das schwarze Pendant der Gemeinsamkeiten. Die Halde Wilsberg, heute grün bewachsen, ist als Relikt der deutsch-niederländischen Kohlegeschichte jenseits der Bahn in Kohlscheid auszumachen. Beim Weitblick zum Nachbarn reckt sich die Landgraafer Halde empor, heute zur Skiabfahrt mutiert. Auch bei die schnurgerade Aachen-Maastrichter-Chaussee diente einst dem Kohletransport und empfing die Passanten in Laurensberg am Zollhaus von 1775/80, wo entsprechende Wegzölle fällig waren.
Auf dem Weg zurück ins Zentrum setzen Klinikum mit High-Tech-Architektur der 80er und die jüngsten Gebäudekomplexe Campus Melaten und Königshügel moderne Sprenkel wie die ITC-Cubes ins ländliche Quartier.
Highlights entlang der Strecke:
Dreiländerpunkt
Baldouinturm (B), Wilhelmina Turm (NL)
Höchster Punkt der Niederlande (352,5m)
Seffent, Vetschau historische Ortskerne
Halde Wilsberg
Historische Altstad Aachen